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Beitrag vom 21.12.2005
Match Point
Tatjana Zilg
Ein junger Tennislehrer erobert sich in Windeseile einen Platz in der britischen Upper Class. Kaum hat sich sein Traum vom Luxusleben erfüllt, geht er eine riskante Affäre ein. Regie: Woody Allen
Chris Wilton (Jonathan Rhys Meyers) ist gutaussehend, gebildet und sportlich. Er entscheidet sich, sein Potential zu nutzen und sein Glück in London zu versuchen. Da er ein versierter Tennisspieler ist, findet er sofort eine Anstellung als Lehrer in einem angesehenen Club, wo die oberen Kreise verkehren. Das Interesse an dem Neuankömmling ist hoch. Sein charmanter Schüler Tom Hewett (Matthew Goode) führt ihn bereitwillig bei Freunden und Familie ein. Seine Schwester Chloe (Emily Mortimer) ist begeistert von dem in Kultur und Kunst sehr interessierten Chris. Selbstbewusst fordert sie ihn zu gemeinsamen Galeriebesuchen auf und flirtet so intensiv mit ihm, bis er sich in sie verliebt. Aus der Beziehung entwickeln sich nahtlos ernsthafte Heiratsabsichten. Der Vater der Hewett-Geschwister (Brian Cox) ebnet Chris den Weg in eine höhere Position seiner Firma. Alles könnte perfekt sein, wäre da nicht die schöne Nola Rice (Scarlett Johansson) mit der lasziv-erotischen Ausstrahlung. Sie ist die Ex-Verlobte von Tom. Als Amerikanerin und erfolgslose Schauspielerin hatte sie bei dessen Eltern jedoch keine Chance. Besonders die Mutter (Penelope Wilton) würde sie nie an der Seite ihres wohlbehüteten Sohnes akzeptieren. Chris ist von ihr seit der ersten Begegnung fasziniert. Zudem waren sie Schicksalsgefährten als Neulinge in der feinen High Society und LebenspartnerInnen der gutsituierten Geschwister. Nola ahnte zwar bald, dass es nur Chris vergönnt sein wird, in diese Kreise aufgenommen zu werden, aber dieser fühlte sich so magisch von ihr angezogen, dass es bereits bei einem Familienwochenende auf dem Landsitz zu einem ersten sexuellen Kontakt kam. Bald darauf verschwindet Nola aus seinem Leben, denn Tom löst überraschend die Verlobung. Chris möchte sie in ihrer Wohnung aufsuchen, aber sie hat sie bereits gekündigt und ist angeblich nach Amerika zurückkehrt.
Die Anforderungen seiner neuen Position in der Firma und als Ehegatte der verwöhnten Chloe nehmen den Ex-Tennislehrer voll in Anspruch, so dass er wenig Zeit hat, der gescheiterten Schauspielerin nachzutrauern. Zudem wird die junge Ehefrau trotz großen Kinderwunsches nicht schwanger. Mit ständig anderen Einfällen fordert sie ständig ihren gestressten Mann zu neuen Versuchen auf, das Schicksal zu überlisten.
Eines Tages steht Nola Rice plötzlich bei einem der seltener gewordenen, gemeinsamen Besuche in der Tate Gallery vor dem Paar. Ohne zu zögern entlockt ihr Chris die Handynummer. Anfangs entschuldigt er sich gegenüber seinem Gewissen mit der Fixierung seiner Frau auf den Kinderwunsch für die verhängnisvolle Affäre, die er mit der ungemein attraktiven, aber beruflich weiterhin erfolgslosen Nola eingeht. Mittlerweile hat sie ihre Bühnenträume aufgegeben und arbeitet als Boutiqueverkäuferin. Sie beginnt, sich an Chris zu klammern, obwohl sie sich nie so verhalten wollte. Der junge Aufsteiger bleibt jedoch für alle undurchschaubar: Einerseits galant und zuvorkommend, andrerseits gefühlskalt und möglicherweise ein Schauspieler des realen Lebens.
Immer wieder thematisiert wird in dem Film die Frage nach der Unberechenbarkeit des Glücks. "Der Satz: Ich hätte lieber Glück als Talent zeugt von großer Lebensweisheit. Man will nicht wahrhaben, wie viel vom Glück abhängt. Wie viel außerhalb der eigenen Kontrolle liegt. Es gibt Momente im Spiel, da berührt der Ball die obere Netzkante ... und kann für den Bruchteil einer Sekunde nach vorn oder nach hinten fallen. Mit ein bisschen Glück fällt er nach vorn, und man gewinnt. Oder vielleicht auch nicht, und man verliert", sagt Chris.
Im letzten Drittel wandelt sich das Gesellschaftsmelodram in einen Krimi, der aufzeigt, wie ungerecht das Glück verteilt ist und wie jemand gegen sein Gewissen jegliche moralische Begrenzungen überwindet, um das einmal gewonnene Glück zu behalten.
Für die Dreharbeiten verließ Woody Allen erstmals für einen ganzen Film das heimatliche New York und drehte in London. Auch in einigen anderen Punkten ist das neue Werk eine Kehrtwendung des Regisseurs: Weniger Komödienelemente, eine hohe Spannungskurve und viele frische, junge Gesichter. Besonders Scarlett Johansson könnte zum Publikumsmagneten für den Film werden. Sie zögerte keine Sekunde, die Rolle anzunehmen. "Das Buch war so verschieden von allem, was ich bisher in seinen Filmen gesehen habe. Sehr ernst, fast harsch. Es war einfach ein unwiderstehliches Angebot." Die 21jährige entwickelt sich derzeit zu einer der beliebtsten Schauspielerinnen Hollywoods. Zu sehen war sie bisher u.a. in „Good Woman“ (2004), „Lost in Translation“ (2003) und „Ghost World“ (2000).
AVIVA-Tipp: Der 39. Film von Woody Allen ist eine gelungene Überraschung. Neue, ungewohnte Wege zu betreten, war die richtige Entscheidung. Das bitterzart-sarkastische Melodram mit einem Schuss Psychothriller könnte der lang ersehnte Anschlusserfolg für „Die Stadtneurotiker“ werden.
Match Point
USA/GB 2005, 123 Minuten
Regie, Drehbuch: Woody Allen
DarstellerInnen: Jonathan Rhys Meyers, Scarlett Johansson, Emily Mortimer, Matthew Goode, Brian Cox, Penelope Wilton
Verleih: Polyfilm
Kinostart: 29.12.2005
www.matchpoint-derfilm.de